In aller Regel haben Kinder mit Dyskalkulie den kardinalen Zahlaspekt noch nicht zu Genüge verstanden.
Viele Schüler scheitern bereits bei der Simultanerfassung von strukturierten Mengen im 10er- oder 20er-Feld (Fingerbild, Zahlenleiste, Mengenbus, ...). Sie können die Anzahl nur durch Abzählen erfassen.
Sodann bereitet die Zahlzerlegung sehr große Schwierigkeiten. Um verständig rechnen zu können, muss die Zerlegungsmöglichkeit zunächst einmal als Wesensmerkmal von Mengen begriffen und sodann auch auf Symbolebene automatisiert werden (z. B.: 7 = 6+1, 7 = 5+2, 7 = 4+3, ...). Obwohl das Zerlegen in der Schule zumeist mit gegenständlichem Material, Punktbildern und Zahlenhäusern praktiziert wird, erlangen Schüler mit Dyskalkulie diesbezüglich kaum Orientierung. Sie bedürfen einer sehr intensiven Lernbegleitung um den Sinn der Übungen zu verstehen und um Zahlenwissen auf Symbolebene aufzubauen.
Als Kompensation für ihr unzureichendes kardinales Zahlverständnis orientieren die Kinder sich am ordinalen Zahlaspekt. Sie lernen die Zahlwortreihe entsprechend dem Alphabet auswendig. In ihrer Vorstellung sind Zahlen dann bloße Namen für Positionen (der erste, der zweite, der dritte Finger). Basierend auf ihrem Ordinalzahlverständnis betrachten die Kinder die Mathematik als Zählprozess: Addieren ist Vorwärtszählen und Subtrahieren ist Rückwärtszählen.
Der Erwerb mathematischer Kompetenzen setzt grundsätzlich ein mengenorientiertes Rechnen voraus. Die Entfaltung logischer Strukturen und ein Fortschreiten im Zahlenraum ist einzig auf dieser Basis möglich.
Beim Addieren werden Mengen vereinigt:
(1 + 1 + 1) + (1 + 1) = (1 + 1 + 1 + 1 + 1)
Beim Subtrahieren werden Mengen ausgeschlossen:
(1 + 1 + 1 - (1 + 1)) = (1 + 1 + 1)